Versicherungsrecht: „Worum geht’s eigentlich?“

Befasst man sich anhaltender mit dem Versicherungsrecht fällt auf, dass es im Rahmen von Streitigkeiten häufig „interessante“ Verlagerungen vom Ausgang des Falles zu dem späteren Streitgegenstand in einem Prozess geben kann.

Stellen wir uns als Ausgangsfall einen Vertrag in der privaten Krankenversicherung vor. Die Antragstellung liegt einige Zeit zurück und während des laufenden Vertrages tritt ein Leistungsfall ein – sagen wir es entstehen im Zuge einer Operation sehr hohe Behandlungskosten (z.B. nach einem Unfall), oder es ergeht eine Zufallsdiagnose im Rahmen ärztlicher Abklärung, die eine Situation mit nahezu unüberschaubaren Behandlungskosten erwarten lässt. In jedem Falle besteht zunächst in dieser Situation an der Leistungspflicht des Versicherers grundsätzlich kein Zweifel.

Um dennoch eine Tür zur Entledigung seiner Leistungspflicht aufzustoßen, setzt der Versicherer erfahrungsgemäß mit einer umfänglichen Überprüfung der Antragssituation an. Ein Abgleich der Antragsfragen und der vom Versicherungsnehmer vorgenommenen Angaben – oder aus Sicht des Versicherers hoffentlich „Nicht-Angaben“ – muss nun den Weg aus dem Dilemma ebnen.

Nimmt man sich nun einmal ein Antragsformular eines Versicherers an dieser Stelle genauer vor und sieht sich den Teil der Gesundheitsprüfung ausführlicher an, so darf oft festgestellt werden, dass für umfänglichere Angaben auf den häufig vorbelegten Zeilen für die Antworten kaum Raum verbleibt, umfänglicher darzustellen. Stattdessen findet sich oft hierzu nur ein kleingedruckter Hinweis, für ausführlichere Schilderungen ein gesondertes Beiblatt zu verwenden.

Auf den für die Beantwortung der Fragen vorgesehenen Zeilen dagegen, stehen dann zu den erforderlichen Angaben so Erläuterungen wie „Woran litten Sie? Genaue Diagnose oder ausführliche Schilderung der Beschwerden“ – auf ca. 2 – 5 cm des vorgesehenen Beantwortungsfensters. Dann noch eben „von wann bis wann behandelt“, „ambulant / stationär“, „Name des Behandlers“ und Angaben dazu, ob die Krankheit ausgeheilt ist.

Und plötzlich genügt dem Versicherer dann eine erfolgte Angabe an dieser Stelle nicht mehr, unter der er noch vor einiger Zeit eine Annahme erklärt hat. Da steht dann eine Diagnose und auf einmal teilt der Versicherer hierzu mit, dass diese weitere Angaben erforderlich machen würde, so dass die erfolgte Beantwortung nicht als ausreichend anzusehen sei. Konsequenz: Die Behautpung der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung (§ 19 VVG), mit der der Versicherer den Vertrag rückwirkend aufsagen und seine Leistungspflicht beseitigen will.

Für den Versicherungsnehmer empfiehlt es sich jetzt regelmäßig, den Antrag unter dem Blickwinkel einer rechtsfehlerfreien Gestaltung des Antragsformulars überprüfen zu lassen. Mit etwas Fortune, lässt sich dadurch die Frage nach der Qualität der behaupteten „fehlerhaften Beantwortung der Antragsfragen“ aushebeln, so dass es bereits an einer wirksamen Befragung und damit an einer Risikoprüfung durch den Versicherer fehlt.

Da dies aber auch der Versicherer weiß und er das Risiko einer derartigen Versagung seines Rücktrittsrechtes in jedem Falle umgehen will, greift er vorausschauend zu einem ganz „scharfen Schwert“ und erklärt vorsorglich die Anfechtung des Vertrages aufgrund arglistiger Täuschung. Die Arglist führt regelmäßig dazu, dass der Versicherungsnehmer keine Schutzwürdigkeit genießt, wenn er seine Angaben in konkreter Kenntis des Zusammenhangs zwischen den (nicht) erfolgten Angaben und der Annahme des Antrags durch die Gesellschaft verschweigt.

Nunmehr kann die gerichtliche Klärung der eröffneten „Nebenkriegsschauplätze“ beginnen. Ohne Eintritt des Leistungsfalls wäre hier zwar niemals ein Rechtsstreit entstanden. Zudem hat es der Versicherer, wie oben bereits angerissen, ja auch nicht vermocht, zu den mithin jetzt „zu knappen Angaben“ im Antrag ein Nachfrageerfordernis zu erkennen – warum auch, schnitte er sich doch dadurch mithin seine eigenen Möglichkeiten der Vertragsaufsagung ab. (Außerdem weiß ein Versicherer um die Vorteile einer Befragung des Interessenten bei Antragstellung, da die Wahrscheinlichkeit einer „nicht ausreichenden“ Beantwortung durch den Versicherungsnehmer hoch ist.)

Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass eine Vielzahl von Prozessen in der Tat erst über einige Umwege und willkürliche Verlagerungen den Zugang zur gerichtlichen Klärung findet. Das dabei das Ergebnis ebenso oft nicht dem tatsächlichen Sachverhalt entsprechen und genügen kann, ist selbst redend.